Vegane Ernährung – gesund und einfach?

Ein Interview mit Ernährungsberaterin Anna Maynert

Der Begriff vegan ist heute aller Munde und wie auch die Zahl der Menschen steigt, die für die rein pflanzliche Lebens- und Ernährungsweise offen sind, so wächst auch das Angebot an rein pflanzlichen Produkten stetig. Von Ernährungsberaterin Anna erfahren wir im Interview ihre persönlichen Beweggründe dafür, vegan zu werden und was dies für ihre Familie bedeutet hat. Dabei erhalten wir gute Tipps, wie eine Umstellung am besten gelingt und eine Einschätzung, warum ein vegetarischer Lebensstil oft am Ziel vorbei schießt.

Über Anna

Anna Maynert ist 44 Jahre, verheiratet und lebt mit ihren 3 Kindern und ihrem Mann in Bonn. Nach einem Studium der Ernährungs- und Haushaltswissenschaften arbeitet sie seit 7 Jahren als Ernährungsberaterin (on- und offline) und hat damit ihre Leidenschaft – eine gesunde Ernährung – zum Beruf gemacht. Seit 2016 bloggt Anna für vegan/vegetarisch lebende Familien auf www.vamily.de. Zu diesem Blog gehört auch ein Podcast, in dem sie regelmäßig interessante, vegan-lebende Menschen interviewt und Familien eine Hilfestellung bietet, sich im vegan/vegetarischen Familienalltag zurecht zu finden. Zudem hat sie aus einem ganzheitlichen Aspekt heraus auch eine Yogalehrer-Ausbildung sowie eine Ausbildung zur geistigen Heilerin abgeschlossen und erweitert diese im Bereich Lebenscoaching. Sie hält regelmäßig Vorträge in Bonn und Umgebung und arbeitet mit großer Begeisterung als Yogalehrerin. 

Wann und warum bist du vegan geworden?

Respekt vor jedem Lebewesen

Ich bin 2013 vegan geworden und zwar quasi über Nacht. Zu dem Zeitpunkt habe ich eine Yogalehrer:innen-Ausbildung gemacht. Ich war eine disziplinierte Yoga-Schülerin. In den heiligen Schriften des Patanjali, dem Yoga Sutra, sind acht Pfade beschrieben, die zur Erleuchtung führen – das vermeintliche Ziel eines jedes Yogi. Eines dieser Prinzipien heißt Ahimsa – Du sollst kein Leid zufügen. Das hat bei mir irgendwie einen Schalter umgelegt. Ich habe abends das Kapitel darüber gelesen und morgens war mir klar, dass ich keine tierischen Produkte mehr zu mir nehmen kann.

Ich war zu dem Zeitpunkt schon lange vegetarisch und über ein Veganer:innen-Portal, welches ich betreut habe, schon sehr mit der ganzen Tierleid-Thematik vertraut. Genau genommen bin ich also aus ethisch-moralischen Gründen vegan geworden. Gesunde Ernährung ist seit meiner Teenagerzeit ein großes Thema gewesen und spielte da natürlich auch mit rein.

Reicht es denn nicht, sich nur vegetarisch zu ernähren?

Die Kälbchen werden den Müttern direkt nach der Geburt weggenommen

Das kommt darauf an, aus welcher Motivation heraus man sich vegetarisch ernährt. Aus Tierethischen Gründen? Dann lautet die Antwort: Nein! Denn das Leid der Milchkühe und das der Kälbchen ist ungemein groß, auch wenn das noch nicht so sehr im Bewusstsein der Menschen angekommen ist. Die Kälbchen werden den Müttern direkt nach der Geburt weggenommen, was Mutter und Kind traumatisiert. Zudem werden die Milchkühe andauernd geschwängert, damit sie Milch geben. Nach 5 Jahren sind sie in der Regel am Ende ihrer Kräfte und werden geschlachtet, obwohl sie unter normalen Umständen eine Lebenserwartung von etwa 20 Jahren hätten.

Milch fördert Entzündungen im Körper

Ist man aus gesundheitlichen Gründen Vegetarier:in, dann lautet auch hier die Antwort: Nein! Milch ist für einen erwachsenen Menschen kein gesundes Lebensmittel – ich weiß, wir sind alle mit anderen Glaubenssätzen groß geworden, aber diese dürfen wir jetzt loslassen. Milch fördert nachweislich Entzündungen im menschlichen Organismus und trägt zur Entstehung von ernährungsabhängigen Krankheiten, wie z. B. Diabetes Typ 2 und Krebs bei. Außerdem entwickeln die meisten Menschen im zunehmenden Alter eine Laktoseintoleranz, was in meinen Augen schon aussagekräftig genug ist. Kuhmilch ist für Kälber, um diese in kurzer Zeit von 60 kg auf 600 kg zu bekommen. Frauenmilch ist für Menschenbabys, um sie im ersten Lebensjahr von ca. 3,5 kg auf ca. 10 kg zu bekommen – allein diese Zahlen sollten verdeutlichen, dass Kuhmilch eben für Kühe ist.

Wenn man aus umwelttechnischen Gründen vegetarisch lebt, dann ist auch dies nicht optimal zu Ende gedacht, da auch hier Massentierhaltung von Nöten ist und diese eine sehr schlechte Umweltbilanz hat.

Die Bindung zwischen Mutter und Kind ist auch bei Kühen sehr ausgeprägt

 

Wie hat dein Umfeld reagiert, als du vegan geworden bist?

Ich habe den klassischen Anfängerfehler gemacht

Da ich so plötzlich vegan wurde, waren mein Mann und meine damals noch zwei Kinder ziemlich verwundert und ehrlich gesagt auch nicht sehr begeistert. Ich habe den klassischen Anfängerfehler gemacht. Ich hatte die rote Pille geschluckt, die Pille der Wahrheit und meinte nun alles besser zu wissen. Das hat dazu geführt, dass ich regelmäßig sehr dogmatisch über das Thema “referiert” habe, was definitiv abschreckend für sie war. Ich hatte natürlich nur das Beste im Sinn, aber habe viel zu viel Druck gemacht.

Einige Zeit später bin ich dann ganz undogmatisch geworden und habe alle so gelassen, wie sie waren und das Thema nicht mehr so groß am Familientisch gemacht. Heute ernähren sich meine beiden Söhne vegan/vegetarisch, mein Mann überwiegend vegan und meine Tochter zu 95% vegetarisch und phasenweise vegan – ich nenne uns immer Patchfoodfamilie. Ich koche stets vegan und vertrete diese Haltung liebevoll meinen Kindern und meinem Mann gegenüber. Meine offene, freilassende Haltung führt dazu, dass die gesamte Familie immer veganer wird, was ich natürlich freudig begrüße! 

 

Gibt es etwas, was dir besonders schwer fällt am veganen Leben?

Es hat sich für mich eine Welt des Genusses eröffnet

Zu Beginn nichts. Dadurch, dass ich ein so starkes Warum hatte, war alles vollkommen klar und ich habe nirgends gehadert. Im Gegenteil – es hat sich für mich eine ganz neue Welt des Genusses geöffnet. Heutzutage, wo es ja wirklich fast alle tierischen Produkte vegan “nachgebaut” gibt, gönne ich mir ab und an mal veganen Käse. Früher hat der gar nicht geschmeckt, aber die Industrie hat sich sehr gut weiterentwickelt und es gibt tolle Ersatzprodukte, wobei diese natürlich meinen Grundsätzen einer veganen, vollwertigen Ernährung nicht genügen. Aber ab und an ist das völlig ok.

 
 
Die Vegane Küche hält unzählige Möglichkeiten bereit

Wie klappt der Umstieg in ein veganes Leben am einfachsten?

In dem man sich Zeit lässt. Jeder ist natürlich unterschiedlich, bei manchen ist ein harter Cut vielleicht besser, aber ich empfehle immer erstmal zu schauen, welche Gerichte man im Portfolio hat, die von sich aus schon vegan sind und diese dann erstmal vermehrt zu kochen. Der zweite Schritt kann dann sein, dass man Gerichte veganisiert. Sahne durch Soja Cuisine (pflanzliche Sahne) ersetzt, Butter durch Margarine oder Öl, Eier durch Sojamehl o. ä. und so weiter. Der nächste Schritt ist dann das vegane Kochen nach Kochbuch mit neuen Lebensmitteln, wie z.B. Nussmusen und Hefeflocken oder mit Sprossen und Microgreens. 

Warum, glaubst du, fällt vielen Menschen der Umstieg schwer, obwohl die Missstände und negativen Folgen für Planet und Gesundheit bekannt sind?

„Ein Mann braucht Fleisch, sonst ist er kein Mann“

Ich denke die meisten Menschen fühlen die Missstände, aber verdrängen es immer wieder. Sie wollen einfach ihre Gewohnheiten nicht ändern, außerdem tut es weh, wenn man sein Herz dem Mitgefühl der Tiere öffnet. Früher war ich wesentlich resistenter, was das Tierleid angeht, heute muss ich nur drüber reden und fange schon an zu heulen. Man wird einfach feinfühliger, wenn man sich vegan ernährt. Da kommen dann auch schon mal unangenehme Gefühle zutage, die man lieber nicht fühlen möchte, dafür braucht man Mut. Außerdem leben wir in einer Konsumgesellschaft, in der das gute Essen von einem Stück Tier immer noch sehr anerkannt ist. Das und tatsächlich auch die nicht vorhandene Bildung auf dem Gebiet Gesundheit, Ernährung und Umwelt, welche einfach bei den meisten Menschen noch nicht angekommen ist, sind weitere Gründe dafür.

Die Vorurteile, die es bezüglich der veganen Ernährung gibt, sind in meinen Augen zum einen mangelndes Wissen und zum anderen alte Glaubenssätze, die sich hartnäckig halten und von Generation zu Generation weitergegeben werden: “Fleisch macht stark”, “Ein Mann braucht Fleisch, sonst ist er kein Mann” usw.

Auf saftige Burger muss heute niemand verzichten – das pflanzliche Angebot steigt rasant

Du bist Gründerin eines veganen Unternehmens. Wie kam es dazu, was bietet ihr an / was ist das Besondere daran?

Wir möchten Sicherheit, aber vor allem auch Leichtigkeit in der veganen Ernährung bieten

Wenn Du damit die Online-Lernplattform “Vegane-Familien-Masterclass” meinst, dann ist das nicht direkt ein Unternehmen, sondern eher ein Projekt, welches ich zusammen mit meiner Freundin und Co-Autorin Carmen Hercegfi gegründet habe. Wir bieten auf dieser Plattform zurzeit 6 Online-Kurse rund um die vegane (Familien-) Ernährung an. Von der Schwangerschaft & Stillzeit, über die Beikost bis hin zu den veganen Teenies möchten wir Eltern durch unsere Kurse Sicherheit, aber vor allem auch Leichtigkeit in der veganen Ernährung mit Kindern bieten. Allerdings eignen sich die Kurse auch wunderbar für Vegan-Interessierte ohne Kinder. Neben einem “Vegan Basics”-Kurs, in dem wir tiefes Wissen über kritische Nährstoffe, Supplemente und Blutuntersuchungen uvm. vermitteln, haben wir auch noch die Kursthemen “Zuckerfrei & Darmgesundheit”, Back2theRoots (Einkochen, Fermentieren, Dörren & ZeroWaste-Küche), sowie einen Mealprep und Küchenpraxis-Kurs.

Wie ist das Feedback zu Eurem Angebot?

Oh, alle, die unsere Kurse bisher gemacht haben, sind sehr begeistert. Wir bieten ihnen auch einen geschlossenen Austauschraum auf Facebook an, wo sie Gleichgesinnte treffen und sich gegenseitig unterstützen können.

In einem von Annas Kursen kannst du alles über vegane Ernährung lernen

Ist eine rein pflanzliche Ernährung wirklich gesünder?

Tja, da scheiden sich die Geister! Sagen wir mal so, heute muss sie nicht unbedingt gesünder sein. Früher, als es vor 8 Jahren noch nicht so viele Ersatzprodukte gab, da war sie definitiv gesünder als eine mischköstliche Ernährung.

Sofern man die vegane Ernährung vollwertig, saisonal, regional und überwiegend aus Bio-Lebensmitteln gestaltet, sich gut informiert, worauf man achten muss (besonders eben auch in Bezug auf die kritischen Nährstoffe), dann ist die vegane Ernährung heute definitiv mit die gesündeste Ernährung. Das zeigen auch viele Studien, die in den USA durchgeführt wurden. 

Kann man seine Kinder auch vegan ernähren?

Absolut, allerdings empfehle ich hier dringend sich ausreichend zu informieren und mindestens einmal ein veganes Ernährungscoaching zu absolvieren, damit einem da nicht essentielle Informationen fehlen. Außerdem sind regelmäßige Bluttests wichtig.

Muss ich Nahrungsmittelergänzungen zu mir nehmen, wenn ich mich vegan ernähre und wenn ja, welche?

Ja definitiv! In jedem Fall Vitamin B12. Des Weiteren empfehle ich auch Vitamin D und Omega-3-Fettsäuren. Außerdem sollte man auch auf Zink, Jod und Selen ein Auge haben, sowie auf eine ausreichende Calciumaufnahme achten. Bis auf B12 gilt dies im Übrigen nicht nur für Veganer:innen – auch Mischköstler:innen und Vegetarier:innen sollten auf die genannten Nährstoffe achten und diese ggfs. supplementieren.

Achte auf eine ausgewogene Ernährung und nimm gegebenenfalls Nahrungsergänzungsmittel zu dir

Ist Honig vegan?

Nein, Honig wird von Tieren hergestellt und wir nehmen den Jungbienen ihre Nahrung weg, in dem wir ihren Honig ernten. Die Jungbienen bekommen (in der konventionellen Zucht) dann nur noch Zuckerwasser was ihr Immunsystem nachhaltig schwächt und ein Grund ist für das Bienensterben, nur leider nur wenig bekannt ist.

Du gärtnerst dieses Jahr ja auch in einem Mietgarten mit uns. Was sind die Gründe und worauf freust du dich am meisten?

Ich finde es wunderbar, so nah in und mit der Natur verbunden zu sein. Mit den Händen mal wieder richtig anzupacken, anstatt immer nur in meine Tastatur zu hacken. Außerdem ist es so toll, die Zyklen der Natur mitzuerleben und diese den Kindern zu vermitteln. Man kann so viel lernen, in dem man diese Prozesse beobachtet. Die Kinder bekommen so auch noch mal einen ganz anderen Bezug zur Ernährung und essen mit vollem Appetit, was selbst geerntet wurde. 

Ich freue mich einfach auch darauf, wieder so viel an der frischen Luft zu sein und darauf, “meine kleinen Pflänzchen” beim Wachsen zu begleiten.

Verrätst du uns noch dein Lieblingsessen?

Puh, das variiert oft und ich habe bestimmte Phasen. Zurzeit esse ich sehr gern fein geschnittenen Spitzkohl (Grünkohl gibt es leider nicht mehr) mit Sesamöl, geröstetem, schwarzem Sesam, Sojasauce und frischem Ingwer. Dazu dann ein kerniges Vollkornbrot mit Avocado und Kala Namak Salz (ein schwefelhaltiges Salz).

Dankeschön liebe Anna!

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